Allgemeines.

Aufgabe der Festung Verdun.

Die Festung Verdun hatte neben der örtlichen Aufgabe, die von der Mosel (Metz) kommenden und hier die Maas überschreitenden Straßen zu sperren und die 8 in ihrem Bereich liegenden Maasbrücken zu schützen, die Hauptaufgabe, den starken nördlichen Flügelstützpunkt des befestigten Abschnittes der mittleren Maas zu bilden, dessen südlicher Stützpunkt die Festung Toul ist. Diese letztere Aufgabe setzte schon damals an die Stelle der reinen Gürtelfestungen den Begriff des befestigten Raumes. Sie wurde im Weltkriege dahin erweitert, daß sich der durch die Sperrforts der mittleren Maas gebildete befestigte Raum über Verdun hinaus in der befestigten Stellung bis zur Kanalküste fortsetzte: Verdun wurde zu einem Stütz- und Eckpunkt der großen sich durch Frankreich ziehenden Stellung mit rein frontalen Aufgaben (région fortifiée de Verdun).

Auch jetzt hat die Festung die Aufgabe, im Rahmen einer zusammenhängenden Stellung einen starken Stützpunkt zu bilden, der für eine allgemeine Front nach Osten ebenso Verteidigungsfähig ist wie nach Westen.

Der südliche Anschluss besteht zwar vorläufig nur aus der Linie der veralteten Sperrforts der mittleren Maas; diese kann aber, unterstützt durch die Gunst des Geländes, schnell zu einer zusammenhängenden Stellung ausgebaut werden. Eine nach Norden anschließende Stellung besteht ebenfalls noch nicht. Teilstücke einer rückwärtigen Stellung mit Front nach Nordosten ziehen sich 15 km nördlich Verdun aus Richtung Metz über Dun a. d. Maas in nordwestlicher Richtung; es ist möglich, dass diese Stellung entlang der Maas mit Verdun in Verbindung gebracht wird.

Geländebeschreibung.
Die 0stfront liegt auf dem steilen Rande der Côtes, die die ostwärts vorgelagerte Woëvre Ebene um 100 m überhöhen. Die Woêvre- Ebene ist flachwellig. Im Geschützbereiche der auf den Côtes liegenden Werke der Ostfront bietet sie dem Angreifer nur wenig Deckung.

Die Côtes Lorraines (Côtes de Mause) bilden vor der Südfront Rozellier- Haudainville ein breites Hochland; sie verschmälern sich in der Linie der Ostfront (Forts Rozellier- Tavannes- Souville- Douaumont ) zu einem Bergrücken von einigen Kilometern Breite und verbreitern sieh vor der Nordfront wieder plateauförmig.
Der Schluchtenreiche Ostrand fällt ziemlich steil zu der bis 100 m tiefer liegenden Woëvre Ebene ab, er liegt vor der Front Moulainville -Vaux im Infanteriefeuer der Hauptverteidigungslinie.

Der Westrand der Côtes ist flacher als der Ostrand und tritt mit seinen Ausläufern näher an die Maas heran als der noch flachere gegenüberliegende Talrand. Ausgedehnte Waldungen liegen im nordostbärtigen und südlichen Vorgelände der Festung; Sie sind mit dichtem Unterholz bestanden.

Das breite Maastal besteht aus trockenen, gut entwässerten, aber bei Hochwasser zum größten Teile überschwemmten Wiesen; zahlreiche tote Arme und der Canal de l'Est erschweren das Überschreiten des Tales; die guten und zahlreichen Wege überschreiten das Tal auf etwa 1 m hohen Dämmen mit Flutbrücken. Die Maas, teils selbst kanalisiert, teils vom Canal de l'Est begleitet, ist südlich Verdun 40 bis

50 m breit und 1-2 m tief. nördlich Verdun bis 60 m breit und 4-5 m tief; sie steigt bei Hochwasser, das oft plötzlich eintritt, uni 2-3 m. Stromgeschwindigkeit beträgt normal 1 m in der Sekunde ; Flussgrund ist sandig und kiesig, in Seitenarmen vielfach moorig; Furten von veränderter Lage und zweifelhafter Beschaffenheit sind vorhanden.
Der Canal de l'Est ist südlich von Verdun 16 m im Wasserspiegel und 10 m an der Sohle, nördlich Verdun 18 m im Wasserspiegel und 11.40 m an der Sohle breit, 2,20 m tief, von 1--3 m hohen Dämmen, mit 4 m breitem, gepflastertem Lein- und Treidelpfad eingefasst.

Das Gelände westlich des Maastal es steigt in 2 Stufen zum Argonner Wald an. Auf der unteren Stufe liegen die ständigen Werke der Festung. von dem Rande der oberen Stufe entfernt. Von der vorspringenden Erhebung nördlich Sivry la-Perche ist das Verteidigungsgelände der Westfront und das Gelände hinter der Nordfront einzusehen. Die Hochfläche wird durch den Wadelaincourt- Bach in 2.Abschnitte geteilt. Der nördliche Ab­schnitt ist zerklüfteter, stärker bewaldet und besitzt weniger gute Wegeverbindungen als der südliche.
Die Waldbestände auf dem linken Maasufer bestehen aus Laubholz mit dichtem, vielfach dornigem Unterholz.

Geschichtliche Angaben.

Bis 1875 bestand die Festung nur aus Zitadelle und Stadtbefestigung, beide zur Zeit Vaubans gebaut, 1875 wurde die Zitadelle durch einige Hohlräume verstärkt. Auf eine Verstärkung der Stadtbefestigung wurde verzichtet. In demselben Jahre entstanden wegen drohender Kriegsgefahr 6.vorgeschobene Redouten in behelfsmäßiger Bauart (Erde und Holz):
rechtes Ufer:
Belleville, St. Michel, Belrupt;
linkes Ufer:
Dugny, Regret und la Chaume. Diese Werke wurden später (1879) zu Forts umgebaut.

Gleich darauf begann der Bau von 5.Forts ständiger Bauart zur Sperrung der Eisenbahn und der Straßen von Metz sowie zur Bestreichung des Maastales:
rechtes Ufer:
Haudainville. Rozellier, Tavannes, Souville:
linkes Ufer:
Marre.

Bis 1882 waren die bisher genannten 11 Werke einschließlich ihrer Anschlussbatterien fertig­gestellt. Gleichzeitig wurden einige offene Zwischenbatterien für leichte Geschütze in der Hauptverteidigungslinie des rechten Ufers angeschüttet.

Von 1883 bis 1887 wurden ferner erbaut:
auf dem rechten Ufer:
die Forts Vaux, Moulainville und zuletzt - 1885 begonnen - Douaumont;
auf dem linken Ufer:
Fort Landrecourt auf der Südfront, Fort Bois Bourrus und Poste de la Belle Epine auf der Nordfront, Postes de Choisel, de Chana und des Sartelles auf der Westfront.

Bis 1900 folgten:
Ausbau des Zwischengeländes der wahrscheinlichen Angriffsfronten: Anlage der sturmfreien Infanteriewerke Thiaumont, Froide -Terre, Charny und St. Symphorien, von eingeschnittenen Zwischen­batterien und Infanterielinien mit Hindernissen, von bombensicheren, ganz unterirdischen Räumen zur Unterkunft von Mannschaften und zur Lagerung von Munition; Bau des Schmalspurbahnnetzes.

Verstärkungsbauten an den wichtigsten Forts gegen Brisanzgranaten.
Umbau der Postes de Choisel und des Sartelles zu Forts.
Anlage einer Linie von 5 vorgeschobenen sturmfreien Infanteriewerken auf der Westfront und 7 auf der Ostfront längs des Ostrandes der Cötes, größtenteils als Stützpunkte der positions avancces.

Anfang dieses Jahrhunderts begann dann der vollständige Umbau der Werke der Hauptverteidigungslinie nach neuesten Grundsätzen.
Neuerbaut wurden kurz vor dem Weltkriege das ouvrage de Derame auf der Ostfront und das Ouvrage de la Falouse auf der linksufrigen Süd front. Vor dem alten Poste de Chana wurde 1908 ein neues Ouvrage gleichen Namens gebaut. Gleichzeitig wurde auf allen Fronten der weitere Ausbau des Zwischengeländes durch Anlage zahlreicher -zum Teil mit stählernen Kopfblenden versehener und betonierter- Schützengräben sowie von betonierten J- und M-Räumen in Angriff genommen und vermutlich während des Welt­krieges planmäßig zum Abschluß gebracht.

Beschreibung der Befestigungsanlagen.
Gliederung der Befestigungen.

Die Befestigungen der Festung Verdun gliedern sich in:

die positions avancees,                    

die zoneprincipale dedefense,

 die position de soutien,

 den noyau central (Stadtumwallung mit Zitadelle).

Der äußere Umfang der ständigen Befestigungen beträgt 50 km, in der Hauptverteidigungslinie 44 km.

Die positions avancees.

Ihre Ausführung ist dem Gouverneur nach Maßgabe »einer verfügbaren Besatzung freigestellt. Auf der Ost- und Westfront stützen sie sich größtenteils auf eine Anzahl vorgeschobener, stän­diger Infanteriewerke von geringer Widerstandskraft, deren Verstärkung bei der Armierung zu er­warten ist.

Die positions avancees sind in etwa folgender Linie anzunehmen:

Westufer der Maas:
Nord- und Westrand Bois Bourrus- Bois Bouchet- Ouvrages de Germonville, de Fromcriville, de Baleycourt, du Bois de Chapitre - Pavillon de M Benoit (9 km südl.
Zitadelle Verdun)- Ancemont.

Ostufer der Maas:
Fort de Genicourt-Bois de la Voie de Dieue-Le Filla Bois (31/2 km ostwärts Fort de Geni­court)- Bergnase nordostwärts Haudiomont (Ostrand der Cöte)- Ostrand der Cötes über die Inf -Werke bis Höhen südlich Bezonvaux-Bois la Vauche- Bras-s.
Meuse.

Die zone principale de defense.

Die zone principale de defense umfasst folgende Werke:

Auf dem linken Ufer: Ouvrage de Charnv, Ouvrage de Vacherauville. Poste de la Belle Epine. Fort de Marre, de Bois Bourrus. de Choisel, Ouvrage de Ghana, Forts des Surlelles, de Regret, de Landrecourt, de Dugny und Ouvrage de la Falouse.

Auf dem rechten Ufer: Fort d'Haudainville, Ouvrage de St. Svmphorien. Fort du Rozellier, Ouvrage de Deramc, Fort de Moulainville, Ouvrage d'Eix, Ouvrage de la Laufee, Fort de Vaux, de Douaumont, Ouvrages de Thiaumout und de Froide Terre.

Gegen einen Südostangriff ist die Anlage einer flankierenden Batteriestellung von Claire Cote aus nach Ouvrage de Manesel hin nicht unwahrscheinlich.

Die position de soutien.

Als Stützpunkte für die nach den Grundsätzen des französischen Verteidigungsverfahrens an­zulegende position de soutien dient der innere Ring der vorgeschobenen Werke:

auf dem linken Ufer:
Fort de la Chaume,

auf dem rechten Ufer:
Forts de Belrupt, de Tavannes, de Souviile, de St. Michel, de Belleville.

Stand des Ausbaues.

Die kleinen, veralteten vor die Hauptverteidigungslinie vorgeschobenen Infanterie-Werke von geringer Widerstandsfähigkeit haben bei niedrigem Aufzuge flache, in einen Dreiecksgraben mit Draht­hindernis verlaufende Brustwehrkronen und eine ebenso geschlossene Kehle.
Die wenigen, die Feuerlinie nicht überragenden Unterstände sind bei l m starken Gewölben nur Splitter sicher und oft in Hausteinmauerwerk ausgeführt.

Der um 1900 begonnene vollständige Umbau der Werke der Hauptverteidigungslinie erstreckt sich auf:
Umbau der Brustwehren unter Verwendung von Beton, Beseitigung der hohen Schulterwehren ; Aufstellung von Hebbahren Panzertürmen für kleinkalibrige (je 2 bis 75 cm) Kanonen und (je 2) Maschinengewehre sowie von feststehenden Panzerbeobachtungsständen und leicht gepanzerten Infanteriewachttürmen in den Forts und Zwischenwerken. (Panzerstärken: 155 mm und 7,5 cm Kau 30 cm, M.G. -Pz.K. 12- 20 cm, Pz. Beob. 25 cm ).

Herstellung von bombensicheren Zwischenraumstreichen mit leichten Schnellfeuergeschützen in den Kehlpunkten oder Flanken zur Bestreichung des Geländes zwischen den Werken und des Vorgeländes der Nachbarwerke;
Ersatz Innerer Grabenwehren durch betonierte äußere- ausgenommen in der Kehle —, die mittels Hohlgängen mit dem Fortinnern verbunden sind ;

Verstärkung eines Teils der vorhandenen Unterkunfts- und Munitionsräume mit Beton und Bau von neuen Betonkasernen an den inneren Grabenwänden der Kehlen.
Das Zwischengelände der Hauptverteidigungslinie ist in größerem Umfange als sonst üb­lich, ständig ausgebaut.

Die Schützenstellungen sind je nach dem Gelände teils angeschüttet, teils in den Boden versenkt, an der inneren Brustwehrböschung mit Mauerwerk bekleidet und mit betonierten Unterschlupfen versehen. Schräg nach hinten geneigte stählerne Kopfblenden von etwa Daumenstärke mit Schießscharten von 20 cm Höhe und 5 cm Breite sind auf den Beton der Brustwehrbekleidung aufgesetzt. Eine Armauflage von etwa 10 cm starkem Beton dient gleichzeitig als Schutzdach für die auf einer darunter befindlichen Sitzstufe ruhenden Schützen.

Die alten Anschluss- und Zwischenbatterien mit angeschütteter Brustwehr sind meist noch erhalten, befinden sich aber teilweise in sehr vernachlässigtem Zustande.

Die um 1890 angelegten Zwischenbatterien (im ganzen 41 festgestellt) sind ganz in den Bo­den versenkt; die Brustwehr ist mit Mauerwerk bekleidet;
gemauerte Munitionsnischen in der Brust­wehr, den Erdschulterwehren und auf den Flügeln. Einige Batterien sind auch mit splittersicheren Beton-Unterständen für die Bedienung versehen. Ob die Batterien als Artilleriestellungen benutzt werden, da ihre Lage genau bekannt ist, erscheint zweifelhaft.

Die Infanteriebesatzung der Zwischenräume findet bombensichere Unterkunft in versenkten oder gedeckt im Gelände liegenden Betonunterständen für 1/2 oder 1.Kompanie -„abris de combat"-, die Abschnittsreserven in, wenn möglich, in Felsboden angelegten, unterirdischen Kasernen -„abris cavernes" -; sie liegen meist in den nach der Festung zu fallenden Hängen und haben einen Fassungsraum bis zu 600 Mann. Deckenstärke in Fels 5 bis 6.m.inErde 10 bis 12 m.

Für die Munition sind M-Räume- „depots intermediaires". auch gewöhnlich kellerartig in Felsboden eingebaut für je 2 Batterien und im ganzen 7 Abschnittsmagazine- „magasins du secteur"- vorhanden, letztere mit 2 Eingängen und Laborier- und Wachtgebäuden dahinter.

Die Forts der zweiten Linie sind noch unverändert, ebenso die Zitadelle und Stadt­befestigung; unter der ersteren ist jedoch in den Fels ein umfangreiches System von Hohlgängen hineingearbeitet worden in einer Gesamtentwicklung von 5 km. und zwar in 5 nach ihrer Bestimmung - für artilleristische Zwecke, Unterkunft und Vorräte -getrennten Gruppen.

Zahlreiche gute Straßen verbinden die Werke unter sich und mit der Kernfestung. Eine Schmalspurbahn verbindet das Arsenal mit sämtlichen wichtigen Befestigungen sowie allen Abschnitts-Munitions-Magazinen und M-Räumen. Nach den vorliegenden Luftbildern sind Veränderungen im Ausbau der ständigen Anlagen oder der Zwischenräume bisher nicht erfolgt.

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